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Evagrius durchlebte vier solcher Culminationen. In der ersten (um 542 oder 543) ward er als Knabe selbst von der Pest befallen; in der zweiten und dritten verlor er seine Gattin, viele Kinder nebst Verwandten und zahlreichem Gesinde; die vierte entriss ihm noch eine Tochter und einen Enkel.

Die Verbreitung der grossen Seuche über Europa ist von Seibel so vollständig geschildert worden, dass wir auch hier demselben grossentheils wörtlich folgen können.

Von Aegypten aus theilte sich der Strom der Krankheit in zwei Hauptarme, die nach entgegengesetzter Richtung ihren Lauf nahmen; der eine drang westwärts nach Alexandria und in das übrige Land Aegypten vor, und verbreitete sich von da weiter längs der Nordküste von Afrika1), während der andere ostwärts über Palästina und Syrien in die Länder des westlichen Asiens einbrach. Auf dieser doppelten Bahn durchzog sie binnen fünf Jahren allmälig sowohl die sämmtlichen Provinzen des Römerreichs, wie die Länder der Barbaren bis zu den Grenzen der bewohnten Erde2).

Im Frühling 542 trat die Pest in Constantinopel auf. Sie verweilte hier über vier Monate, anfangs nur wenige, auf ihrer Höhe, nach jedenfalls übertriebenen Angaben, täglich 5000, ja 10 000 Opfer fordernd. Wahrscheinlich noch in demselben Jahre durchzog sie Griechenland; im Jahre 543 finden wir sie in Italien). Im Jahre 545 oder 546 verheerte die Pest verschiedene Gegenden des alten Galliens, namentlich das Land an der Rhonemündung) und die Gegend von Clermont 5). Im Jahre 546 hauste sie in der ehemaligen Provinz Germania prima, welche die Länder des linken Rheinufers von Bingen bis Schlettstadt unter der Hauptstadt Mainz in sich begriff, und bald darauf in Rheims 6).

Nach den Berichten späterer Chronisten erlosch die Pest bis zum Jahre 556 niemals ganz). In diesem Jahre zeigte sie sich

1) Victor Tunensis, welcher zu Tunis lebte, gedenkt für das Jahr 542 einer «generalis orbis terrarum mortalitas.>>

2) Procopius, Bell. pers. c. 23.

3) Fortsetzung des Chronic. von Marcellus Com.

Gregor. Turon., Hist. Francor. IV. 5. Im Folgenden wird gesagt, dass die Pest acht Jahre vor dem Tode des heil. Gallus herrschte; dieser aber starb um 554.

5) Gregor. Turon., De glor. martyr. c. 51.

6) Gregor. Turon., De gloria confessorum. c. 79.

7) Matteo Villani, in Muratori, Rer. italic. script. XIV. I. 4. 5.

Die Limburger Chronik in Eccard, Corp. hist. med. aevi. T. I. Martinus Fuld., das. p. 1728.

in mehreren Städten des byzantinischen Reiches, vorzüglich unter dem jugendlichen Alter). Da wurde im Jahre 558, kurz nach dem Erdbeben im December 557, Constantinopel von neuem sechs Monate lang (also bis zum Eintritt der Sommerhitze) furchtbar heimgesucht. Nach dem Berichte eines Augenzeugen, des Agathias, stimmten die Erscheinungen der Krankheit durchaus mit denen des ersten Ausbruchs überein, nur war vielleicht ihre Heftigkeit noch grösser, der Verlauf noch schneller. Erst nach sechs Monaten liess die Seuche von der Hauptstadt ab, in welcher die beispiellose Sterblichkeit zu den ungewöhnlichsten Maassregeln genöthigt hatte.

Im Jahre 565 n. Chr. sodann wurde Italien, besonders Ligurien und Venedig, in der heftigsten Weise heimgesucht, so dass die Römer nicht im Stande waren, den andringenden Longobarden Widerstand zu leisten 9). Der Tod trat meistens binnen der drei ersten Tage ein; wer den dritten Tag überlebte, durfte auf Genesung hoffen. «Ueberall,» sagt der Berichterstatter, Paul Warnefrid, «überall war nichts als Trauer und Thränen; ganze Städte wurden durch die allgemeine Flucht der Bewohner entvölkert, die heiligsten Bande der Natur zerrissen. Das ganze Land glich einer Oede, und die menschlichen Wohnungen wurden Zufluchtsstätten der wilden Thiere 10). Noch im Jahre 570 wird, im Verein mit den frühesten Epidemieen der Blattern, von französischen Chronisten des Auftretens der Pest gedacht11).

In Betreff der Ausdehnung der Seuche steht fest, dass sie alle damals bekannten Länder überzog. Zweifelhaft ist nur, ob auch die pyrenäische Halbinsel befallen wurde, für welche Gregor von Tours erst im Jahre 584 einer Pest gedenkt, welche im Lande der Carpetaner, deren Hauptstadt Toletum (Toledo) war, wüthete. Fünf Jahre später wurde die Seuche, wie derselbe Schriftsteller berichtet, durch ein Schiff von Spanien nach Marseille verschleppt 12).

8) Theoph. ed. Par. p. 195. Malal. XVII. p. Oxf. 232. [Seibel.] 9) Paulus Diaconus, De gestis Longobardorum. II. 26.

10) Ibid. p. 13.

1) Theoph. p. 199.

12) Gregor. Turonens., Hist. Francor. VI. 3.

krankheiten, herausgeg. v. Hirsch, S. 11.

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Verbreitungsweise und Erscheinungen der Krankheit.

11. Eine ärztliche Schilderung der Pest des sechsten Jahrhunderts ist nicht auf uns gekommen. Dagegen besitzen wir mehrere Beschreibungen von Historikern, z. B. von Procopius und Evagrius, welche die erste Periode der Pandemie zu Constantinopel und Antiochien durchlebten, und von Agathias zu Constantinopel aus der zweiten Periode. Die Berichte derselben lauten folgendermassen :

I. Evagrius. (Hist. eccl. IV. 29.) «Ich werde auch noch von der Krankheit sprechen, welche jetzt zweiundfünfzig Jahre herrscht, wie es früher niemals berichtet worden, und die ganze Erde überzogen hat. Zwei Jahre nach der Einnahme Antiochiens durch die Perser verbreitete sich ein pestartiges Leiden (nádos λotu@des), in manchen Beziehungen ähnlich dem von Thucydides beschriebenen, in manchen von ihm abweichend. Es begann, wie man sagte, in Aethiopien, und durchzog nach und nach die ganze Erde, indem die Krankheit, wie ich glaube, kein Volk unangetastet liess. Einzelne Städte wurden so sehr heimgesucht, dass sie von Bewohnern vollständig leer wurden. Es gibt aber auch Orte, welche in geringerem Grade ergriffen wurden. Es herrschte aber weder zu bestimmten Zeiten [des Jahres], noch wich es von den befallenen Orten in gleicher Weise. Sondern es ergriff einige Orte im Anfange des Winters, andere am Ende des Frühlings, andere im Sommer, noch andere im vorgeschrittenen Herbste. Zuweilen blieben, während ein Theil der Stadt ergriffen war, andere Stadttheile verschont, und häufig konnte man beobachten, dass in einer nicht befallenen Stadt einzelne Familien vollständig ausgerottet wurden. Es gibt auch Beispiele, dass, während eine oder zwei Familien zu Grunde gingen, der übrige Theil der Stadt von der Krankheit verschont blieb. Wie wir denn auch, nach sorgfältiger Beobachtung, bemerkt haben, dass Familien, welche von der Krankheit nicht ergriffen worden waren, im folgenden Jahre allein litten. Von Allem aber war das Auffallendste, dass, wenn sich zufällig Bewohner der befallenen Städte anderswohin begaben, wo die Krankheit nicht herrschte, jene allein von den Krankheiten (adua) ergriffen wurden, welche sich aus der befallenen Stadt in den von der Krankheit verschonten Städten aufhielten. Und dieses ereignete sich oftmals in den Perioden der sogenannten Indictionen, sowohl in Städten, als in andern Orten. Am meisten aber wurden die Menschen von dem allgemeinen Verderben befallen in jedem zweiten Jahre des fünfzehnjährigen Cyklus, wie es denn auch mit mir, der ich dieses schreibe, geschah. Denn es schien mir angemessen, auch das, was mich betrifft, an gehöriger Stelle einzuflechten. Im Beginne der Herrschaft dieser Krankheit (nádos) wurde ich von den sogenannten Bubonen befallen, als ich noch die grammatische Schule besuchte. Ich verlor dann an jenen verschiedentlich herrschenden Krankheiten (dot) viele meiner Kinder, meine Gattin, Viele aus meiner Verwandtschaft, sehr viele

Diener und Hörige, gleichsam als wenn sich die einzelnen Abschnitte der Indictionen in die mich betreffenden Verluste getheilt hätten.

Zwei Jahre vorher, ehe ich Gegenwärtiges schrieb, in meinem 58sten Lebensjahre, als die Krankheit bereits viermal Antiochien befallen hatte, indem sie seit ihrem Beginne vier Indictionen durchlaufen hatte, verlor ich ausser den früher Genannten auch meine Tochter und den ihr geborenen Sohn.

In

Das Leiden (dos) aber war aus verschiedenen Krankheiten (voonμátov) zusammengesetzt. Bei Einigen stieg es, nachdem es vom Kopfe begonnen, Röthung der Augen (opdaλμods áiμatódets) und Anschwellung des Gesichts bewirkt hatte, in den Schlund hinab (ès tòv haqòv xatyje) und raffte Jeden, den es ergriffen hatte, hinweg. Bei Andern entstand Durchfall (pósts yáotpos); bei Andern brachen Bubonen und in Folge dessen ein Unheil-verkündendes Fieber aus. Diese aber starben am zweiten oder dritten Tage, indem sie sich an Seele und Leib Denen gleich verhielten, welche nichts erduldeten. Andere gaben ihren Geist auf, indem sie den Verstand verloren. Auch brachen Anthrakes hervor und tödteten viele Menschen. Mehrere, welche ein oder zwei Mal ergriffen gewesen und genesen waren, starben, wenn sie von neuem befallen wurden. Ansehung der Mittheilung [der Krankheit] bot sich Verschiedenes und Unbegreifliches dar. Einige nämlich starben lediglich, weil sie beisammen wohnten und lebten; Andere, weil sie Kranke berührt oder die [befallenen] Häuser betreten hatten; andere wurden auf dem Markte ergriffen. Einige, die aus kranken Städten geflohen waren, blieben gesund, während sie den [bis dahin] Gesunden die Krankheit mittheilten. Sie selbst aber wurden nicht im mindesten ergriffen. Viele aber, welche mit Kranken zusammen lebten, und mit vielen, nicht blos Erkrankten, sondern auch Gestorbenen, in Berührung gekommen waren, oder auch solche, welche sich bemühten, auf alle Weise den Tod zu finden, wegen des gänzlichen Verlustes ihrer Kinder oder Angehörigen, und welche sich deshalb in aller Weise der unmittelbarsten Berührung mit den Kranken Preis gaben (μάλιστα ἐναλιν δηθέντες τοῖς νοσοῦσιν — wörtlich: sich mit den Kranken gewälzt hatten) wurden, gleichsam als hätte sich die Krankheit ihrem Willen entgegen gestellt, nicht ergriffen.

Es hat aber, wie ich gesagt habe, diese Krankheit bis jetzt 52 Jahre gedauert, alles früher Dagewesene hinter sich lassend. Denn Philostratos wundert sich, dass die zu seiner Zeit herrschende Seuche fünfzehn Jahre gedauert habe. Was aber in Zukunft sich ereignen wird, liegt verborgen, da sich Das begeben muss, was Gott gefällt, welcher die Ursachen weiss und die Wirkungen.»

II. Procopius. (de bello Pers. II. 22.) «Um diese Zeit entstand eine Pest. Sie zeigte sich nicht blos in einem Theile der Erde, nicht bei einer Art der Menschen, nicht in einer gewissen Jahreszeit, sondern sie durchschritt den ganzen Erdkreis, und ergriff Alle ohne Unterschied, ohne irgend ein Geschlecht und Alter zu verschonen.

Sie entstand in Aegypten zu Pelusium. Von hier sich theilend verbreitete sie sich nach Alexandrien und das übrige Aegypten, dann nach Palästina, und von da über den ganzen Erdkreis, indem sie bei ihrer Ausbreitung sich immer an gewisse Zeitverhältnisse band, wobei sie keinen

auch noch so verborgenen Wohnsitz der Menschen verschonte. Und wenn es einmal schien, als habe die Krankheit einen Ort unberührt gelassen, so kehrte sie später an denselben zurück, wobei sie dann die früher Befallenen nicht heimsuchte, und währte so lange, bis sie das richtige Maass ihrer Opfer hinweggenommen. Stets aber begann die Krankheit von den Küstengegenden, und verbreitete sich dann in das tiefere Land.

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Im zweiten Jahre (541) in der Mitte des Frühlings kam sie nach Byzanz; hier aber begann sie folgender Maassen. Vielen erschienen Gespenster unter irgend einer menschlichen Gestalt. Diejenigen aber, welche denselben begegneten, wurden, indem sie von dem Gespenst einen Schlag zu erhalten glaubten, von der Krankheit befallen. Anfangs versuchten Viele durch Gebete und Sühnungen diesen Schrecknissen zu wehren; doch vergebens ; denn auch in den Tempeln ereilte sie das Verderben. Andere verschlossen sich in ihre Gemächer; aber dann erschienen ihnen die Gesichte im Traume, oder sie hörten eine Stimme, welche rief, dass sie zu der Zahl der dem Tode Geweihten gehörten. Die Meisten wurden befallen, ohne dass ihnen im Wachen oder im Schlafe etwas der Art begegnet wäre. Sie wurden plötzlich von Fieber ergriffen, Einige, indem sie plötzlich aus dem Schlafe erwachten, Andere, indem sie umhergingen oder irgend etwas Anderes thaten. Der Körper aber veränderte seine frühere Farbe nicht, und war nicht heiss, sondern das Fieber war vom Morgen bis zum Abend so gering, dass weder dem Kranken, noch dem den Körper befühlenden Arzte eine Gefahr vorhanden zu seyn schien, und dass Keiner in Folge dieser Zufälle zu sterben vermeinte. Bei Manchen aber erschien schon an demselben Tage, bei Andern am folgenden, bei noch Andern nicht viel später ein Bubo, nicht blos in der Weichengegend, sondern auch unter der Achsel, bei Einigen auch in der Nähe des Ohres oder an andern Körpertheilen.

In so weit verhielt sich die Krankheit bei fast Allen gleich. Ferner aber zeigte sie nach der Verschiedenheit der Einzelnen, oder nach dem Willen Dessen, der sie verhängte, mancherlei Abweichungen. Einige wurden von einem tiefen Coma, Andere von heftigem Wahnsinn ergriffen, so dass man nicht weniger die den Kranken Pflegenden, als diese selbst, beklagte. Nicht weil die ersteren leichter von der Krankheit ergriffen worden wären (denn durch die Berührung der Kranken zogen sich weder ein Arzt, noch ein Laie, eben so wenig die dieselben Bedienenden oder Bestattenden die Krankheit zu, während viele Andere ohne irgend eine Veranlassung tödtlich ergriffen wurden), sondern wegen der durch die Kranken ihnen verursachten Mühsal, indem dieselben fortwährend von ihrem Lager herab fielen, oder sich auf der Erde wälzten, oder sich aus ihren Wohnungen hinab zu stürzen versuchten. Viele versuchten auch, sich ins Wasser zu stürzen, nicht um ihren Durst zu befriedigen (denn Viele stürzten sich auch in's Meer), sondern in Folge ihres Fieberwahns. Viele kamen auch aus Mangel an Pflege, oder durch Hunger, oder durch einen jähen Sturz ums Leben.

Bei Denen aber, die weder Coma noch Fieberwuth ergriff, gingen die Bubonen in Brand über (opaxéλte) und sie starben, ohne deshalb weniger zu leiden. Einige Aerzte, unbekannt mit diesen Zufällen, und in der Meinung, dass in den Bubonen der Hauptsitz der Krankheit sey, unter

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