Imatges de pàgina
PDF
EPUB

tet (weil ich den Paß gesperrt glaubte) erhalten, und antworte an deinem 38sten Geburtstag, Allerliebster ! Wann werden wir so etwas wieder mit einander feyern! Daß ich dieser Tage gedenke, siehst du? mit welchem Gemüthe, das überlasse ich deinem Herzen zu beurtheilen. Zwei Schriften*), welche ich, seit der überschickten habe drucken lassen, und deren eine für vorzüglich gehalten wird, will ich dir nächstens senden. Uebrigens sey ohne Sorge wegen des Eindrucks und der Folgen deren, die ich 1795 **) herausgab; ich hatte seither keine Veranlassung (und von mir selbst habe ich es nie gethan) über denselben Gegenstand zu schreiben : daß ich aber dazumal schrieb, kann kein vernünftiger Mensch mir verargen; wie konnte ich mich entäußern? und noch darzu war es nicht Wahrheit? Auch haben meine Freunde dort es begriffen, schreiben mir wenigs stens in litterarischen Sachen wie zuvor. Uebrigens haben alle Verhältnisse sich wieder so geändert, daß ich kaum je wieder in gleichen Fall wie 1795 kommen dürfte. Fürchte überhaupt, liebster Bruder, nichts für mich ! "Es darf nicht zagen," sagt Stolberg Jconvevsus, welcher Schalkheit råget, und rein ist, und Gott vertrauet." Ich erkenne, besser in diesen Wirbeln als am ruhigen Tisch, die Kraft dieser Worte. Mein tägliches

*) Die Gefahren der Zeit, u. a.

**) Ueber den preußischen Separatfrieden zu Basel. h.

[ocr errors]

Bestreben geht nur darauf, zu seyn der ich soll. Gott überlasse ich das weitere; ich weiß, er hilft, auch mir, und bringt zur Reife was mit immer Bestimmung meines Lebens geschienen, und ohne Erfahrung nie håtte werden können, was es so werden kann. Indessen ist wahr, daß auch ich durch den Krieg sehr leide.

Auch mir ist der Studententon unerträglich. Es ist einmal in den Gemüthern der Studenten, daß fie sich alles erlauben zu dürfen glauben; und ich ge= stehe, daß mir diese ihre Stimmung für die Zukunft mehr Sorge macht, als die Waffen der Franzosen. Selbst die Kantische Philosophie ist - nicht ihr selber, sondern der Verbindung, welche einige zwischen ihr und der Unabhängigkeit von Gott und Obrigkeit zu finden geglaubt haben, die Zahl ihrer Anhänger schuldig.

Von meinem Lesen: Mit größtem Intereffe las ich den Geschichtschreiber Appianus; er ist ein Mann voll Verstand, sehr billig und moralisch; anspruchs los geschrieben, ungemein unterrichtend für die Beurs theilung der Männer der alten Zeit; er war eine meis ner Hauptlectüren die ich je in der Historie gethan. Hierauf mit großer Mühe, aber Nutzen, die sachreiche Cassandra Lycophrons (danke Stolberg für seine beffere; er ist in meinem Herzen hoch angeschrieben und ich warte nur immer auf eine Gelegenheit, es ihm öffentlich recht warm zu sagen). Das Lexicon des Apollonius, nicht ganz ununterrichtend. Des Apol

lonius Dyskolus unjudicids gesammelte Fabeln. Des Antonius Liberalis recht schön erzählte Metas morphosen; würklich mit vielem Vergnügen. Des Phrynichus voces atticas; besonders wegen einiger eingestreuten Urtheile über große Schriftsteller. Nun Oppianus: mit vielem Vergnügen. Die beiden Gedichte (über Jagd und Fischerei). enthalten schöne Gez målde, die Sprache ist ihrer würdig; und oft erhebt er sich zur Natur und ihrem Vater, auf eine uns bes schåmende Weise. Er war ein sehr edelmüthiger Jüngs ling; man fühlt, daß seine Lebensgeschichte wahr ist. Unter dem Frisiren las ich Huber de regno veterum Assyriorum (nichts neues noch tiefes). Raidel de Geographia Ptolomaei (hat einige litterarische curiosa). Karlström über Thule (wenig daraus zu nehmen); nun, zum Vergnügen, Melanders jocoseria; der Wig ist oft etwas platt, hin und wieder stoßt man auf Sittenzüge.

220.

Wien, den 8. Oct. 1796.

Es war in deinem Brief eine meinem Herzen unschätzbare Stelle: die, worin du mich der fortwåh, rend guten Gesinnung unserer Bürgerschaft für mich versicherst. Ich las um dieselbe Zeit mit besonderem Gefühl das Land Abdul Wachabs, Sohns Ali, Sohns Nodari (st, 1031): „Den Orient sah ich, und das

„Land gegen Abend; auf Pferden, auf Camelen durchog ich die Welt; wo ist ein Ort, Bagdad gleich? „ein Strom wie sein Tigris? Bürger so fein gesittet, „im Reden so lieblich, so reizend in ihren Ideen? „Wie, daß ich die Vaterstadt verließ! Im Vaterland „zu bleiben ist Reichen gegeben. Uns andere wirft „das Schicksal umher. Nicht aus Haß verlassen wir

den Heerd unserer Våter, sondern um nicht Spott „unserer Feinde zu seyn." Das Gleichniß hinkt zwar auf beiden Seiten; weder ist mein Vaterland Bagdad, noch håtte ich nicht dort bleiben können, ohne der Spott von Feinden zu werden. Indeß, Liebster, um auf deine Frage zu antworten, so bitte ich dich, zu bedenken, wie sonderbar ich nach Mainz, und wie ganz, ohne mein Zuthun, durch welche unbereitete Führung ich eben im gehörigen Augenblick von da wies der fort, und hieher gekommen. Dieses macht mich zu schüchtern, der mich leitenden Hand irgend vorzugreifen: besonders da die Erfahrung mir aller Orten Vortheile und Inconvenienzen gezeigt, und ich hier mich nicht zu beklagen habe. Darum, Liebster, suche und verschmåhe ich nichts; was seyn soll, wird sich ge= ben. Indessen erfülle ich aufs genaueste jede meiner hiesigen Berufspflichten, verwende jeden Augenblick, den sie mir laffen, gewissenhaft auf meine gelehrten Plane, thue so viel Gutes als möglich, und bin hiebei zufrieden.

[ocr errors]
[ocr errors]

Die Abschrift der Univ. Hist. für dich, wird nun bald fertig seyn. Ich bin mit dem Ganzen nicht eben zufrieden; meine Ueberzeugungen über viele Dinge sind seither fester und höher, auch meine Grundsäße über verschiedene Punkte der Sittlichkeit strenger geworden: daher mir oft scheint, nicht genug dɛov darin zu seyn, und vieles einigen Anstrich von Leichtsinn in Ansehung manigfaltigen Sinnengenusses zu tragen. Ich habe aber jetzt nicht Muße das Ganze noch einmal zu revis dieren, sondern muß es dir schicken wie es ist. Die vier ersten Monate des künftigen Jahrs habe ich, insos fern Gott will, der Vollendung des vierten Bandes der Schweizergeschichte gewidmet; und so werde ich jährlich fortfahren, bis das Buch zu Ende ist, alsdann aber, wenn ich lebe, gleich die Bearbeitung der Universalhistorie vornehmen. Ueber die darin zu befolgende Methode habe ich allerlei Ideen, die aber nun zu be richtigen unnöthig seyn würde.

Ich habe den Abulfeda zu meinem Leidwesen vollendet; er ist ein vortrefflicher, unterrichtender, und ein ganz vorzüglicher Mann. Wie? Vom zwölften Jahre seines Alters an, that er Kriegsdienste, und zwar oft; dreimal die Wallfahrt nach den ProphetenStådten, zweimal nach Jerusalem und Hebron; fast jährlich berief ihn der Sultan aus Syrien nach Aegyps ten, denn er war ein herrlicher Jäger und guter Ges sellschafter; dabei war er Malek von Hamah, baute,

« AnteriorContinua »