Imatges de pàgina
PDF
EPUB

1

195.

Wien, im Februar 1794.

Mein theurster Bruder, den ich als mir neugeschenkt mit gedoppelter Empfindung umarme! Dank vors erste dem, der dich gerettet! Ueber die Ursache deiner Kranks heit war ich ungewiß; könnte ich nur zu ihrer Entfer nung für die Zukunft etwas beitragen! mich einmal zu besuchen, würde wohl die beste Cur seyn.

Dein Brief hat mir in mancher Rücksicht besondere Freude gemacht. Hierunter zåhle ich zumal mit, was du mir von deinen ungedruckten literarischen Schätzen schreibst. Wie sehr wünschte ich sie benutzen zu können! Sie geben meinem Wunsch, einst (wie sehr innigst ist dieses mein Verlangen!) wieder in dem Vaterlande (ob eben der Vaterstadt, hievon wollte ich weniger bestimmt reden) meine Studien zu treiben, erneuertes Leben. Ich bitte dich also bloß, dieselben zu vermeh ren) und aufzubehalten. Daß mich freuen wird, sie durch dich selbst bearbeitet zu sehen, dieses versteht sich. Einen einigen Irrthum finde ich in deinem Brief, du hältst, wenn ich im Ausland sterben sollte, meine Sa

*) Dies ist geschehen; gar vieles bloß zum Gebrauch des geliebten Bruders. A. d. H.

chen für verlohren. Wie es mit anderm gehen wird, kann ich um so weniger sagen, da ich nicht weiß, wie viel ich hinterlassen werde, aber meine sämmtlichen Bücher und Schriften dir sogleich zukommen zu lassen, dafür habe ich durch ein förmliches Testament Vorsorge getragen. Ich habe seit einigen Monaten keine Bůs cher gekauft, wegen der, dir neulich bemerkten, erschöpfenden Ausgaben, welche ich im vorigen Jahr hatte, und wozu nun die Kriegssteuer kömmt, welche mir nach Reichsgeld die beträchtliche Summe von 518 fl. 24 kr. kostet. Indessen habe ich genug zu lesen. Ich arbeite den ganzen Lag; immer wenigstens 10, meist 12, auch bis 14 Stunden.

Gibbons Tod (so wenig ich unter seine en= thusiastischen Verehrer gehdre) hat mich durch die Betrachtung aufs neue in Feuer gesetzt: daß diefer sein Werk doch vollendet. Mein Plan ist größer, mein Zweck ganz ein anderer, viel mehr moralisch, und ich würde meine ganze Seele hineingießen; aber um so. weniger darf ich zu Vervollständigung meiner Materialien Zeit versäumen; zu lekterer habe ich in der That Muße genug: wenn es aber zum Verarbeiten kommen wird, das wird einst wieder eine jener Leitungen Gots tes bestimmen, die ich oft so sichtbar gefühlt; daß es geschehen wird, ahnet mir stark, verspricht mir ein ges wisses Gefühl: ich werde es thun und nach der Ausführung, wie nach ausgespielter Rolle, abtreten, ster=

ben. Meine Marime beim Studieren ist übrigens, zu suchen in nichts fremde zu werden, Religion und Vaterland aber am wenigsten zu vergessen: daher wechsle ich in meiner Lecture ab; - die vielen Stunden, wels che ich auf der Canzlei übrig habe, sind für die Historie der Erbstaaten des Kaisers, und nun ich Pek vollendet, habe ich die hungrischen Scriptores vor die Hand genommen. Alles excerpire ich in die 30 Bücher, wos rein ich meine Universalhistorie eingetheilt. Wenn es so fortgeht, so kann ich nach meinem 50sten ohne Pråsumtion eine ganz gute Ausarbeitung} beginnen. Ein Foliant von der theuren Hand des Großpapa ist würk, lich die 724ste Nummer meiner Ercerpten. Unter der Hand bildet sich mein Plan durch die Betrachtung des für die Menschen wahrhaft Wissenswerthen, immer mehr aus, beschränkt sich immer mehr auf Geist und Sitten. In his musinamur, sagt der alte Plinius; das freut mich so; hierüber vergeht mir die Zeit, immer zu schnell. Bei euch zu seyn, ist meines Herzens Verlangen, aber du selber haft mir bemerkt, und ich glaube es, daß 1500 fl. mir jährlich nöthig seyn würden; ich muß also zuwarten bis ich erspare, oder bis mir auf irgend eine Weise zufließt, was mir zum Capital dies ser Summe abgeht; sintemal ich Geldverdienst mit der Feder zwar im Nothfall brauchen, gewiß aber, als zu meinen Planen und nach meiner Art unsicher und zweckwidrig, nie ohne Noth mir zum Auskunftmittel machen

möchte. Lavater, irgend wo, die Schrift weiß ich nimmer, insitirt herrlich auf das Verdienst und die Weisheit des Wartens. Daran studiere ich gewals tig, und eine ganz leichte Lection ists mir nicht.

Auf die persischen Memoiren bin auch ich um so begieriger, da ich mit Sacy's ingenißsem System (f. die Göttinger Anzeigen von diesem Buch) meine (mit Herders einstimmige) Vorstellung nicht zu vers einigen weiß.

Die Welt geht mehr und mehr durch einander. Ich sehr zu. Wohl sagt der 146ste Psalm: „Verlasset euch nicht auf Fürsten!" Ueberhaupt finde ich die beste Lebensweisheit, und für alles, in diesen uralten Liedern. David war aber würklich ein großer Menschen, und Weltkenner, weil er selbst ein fühlendes Herz und einen Geist voll Feuer und Leben hatte.

Ich habe den Frenåus excerpirt, Nun bin ich an Canisii äußerst unterrichtenden, interessanten lectionibus antiquis. Hast du den Sulpicius Severus schon gelesen? Die Kirchenvistorie ist niedlich, und (gar sels ten) noch am Ende sehr billig; aber auch die Bücher de vita B. Martini werden dich freuen; sie sind voll Salbung. Möchte man nicht auch jetzt wieder nach Oberågypten? Anachorete werden? - Ich bin dabei! Von Wurzeln, Milch und Wasser will ich gern leben, doch meine Bücher möcht' ich mir ausbitten.

Von Mainz bekomme ich aufs neue Lamentationen.

« AnteriorContinua »