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als bei Aimoin. Auch ist bei diesem die Rede, welche Winomad an die Franken, die ihm ihre Noth klagen, långer, als in den Gestis Francorum, weshalb wir nur ihren Inhalt angeben. Winomad hålt den Franken ihre Thorheit vor, daß sie den Bürger vertrieben und sich der Herrschaft eines stolzen Unkömmlings unterworfen. Auf den Einwurf, den sie ihm machen könnten, daß sie sich der ungezügelten Geschlechtslust des Vertriebenen geschámt, antwortet er, was sie denn zur Beschönigung der Grimmigkeit dessen sagen könnten, den sie dem Vertriebe nen vorgezogen, und sagt weiter, sie haben den aus ih rem Volke gewählten König, der gütig von Natur gewe: sen, verschmäht, und einen Tyrannen gewählt, der deshalb vorzüglich zu fürchten sei, weil er von einer aus ländischen Nation abstamme. Endlich ráth er den Franken, sich mit dem vertriebenen Fürsten zu versöhnen. Winomad merkt die Geneigtheit der Franken, sendet ei nen treuen Diener mit der Hälfte des Goldstückes als Wahrzeichen ab. Childerich folgt der Einladung. Wir nomad vereinigt sich mit den fränkischen Großen und stößt bei dem Schlosse Barrum zu dem Könige Childerich. Winomad hat den Barrensern anempfohlen, den ankom menden König ehrenvoll zu empfangen. Sie gehen ihm entgegen und empfangen ihn. Der König nimmt dieses als gute Vorbedeutung, und erläßt ihnen aus Dankbar keit den Tribut, den sie an sein Reich zahlten. Nachdem der König Childerich seine Macht mit der des Winomad vereinigt hat, rückt er weiter gegen den Egidius vor, überwindet ihn in einer Schlacht, und nöthigt ihn, aus dem Reiche zu weichen. Der vertriebene Egidius begibt sich nach Soissons und bringt hier seine übrige Lebenszeit zu. So hat Aimoin Sagenhaftes und Geschichtliches vermischt. Gregor von Tours (Lib. II. Cap. 27. p. 42) fagt allerdings: Syagrius, der König der Römer, der Sohn des Egidius, hatte in der Stadt Soissons, welche weiland der oben erwähnte Egidius behauptet hatte, sei nen Siz. Aber aus diesem geht nicht hervor, daß Egis dius auf den Besitz von Soissons beschränkt gewesen. Wie aus dem Priscus und noch mehr aus dem Idatius erhellt, spielte Egidius eine glänzende Rolle.

Sehen wir aber zuvor, wie die Geschichtschreiber die Angabe, daß Egidius von den Franken zum Könige ge wählt worden sei, aufgefaßt haben. Gregor von Tours selbst erzählt es ohne alle Umstände, als wenn gar nichts Seltsames in diesem Verhältnisse gelegen hätte. Der Verfasser der Gest. Franc. Epit. bezweifelt es auch nicht, sondern spricht sich nur tadelnd über das Verfah: ren der Franken aus, indem er bemerkt: Die Franken, nachdem sie Childerichen verlassen, erheben Egidius, den Fürsten der Römer, über sich zum Könige; ein nicht gu ter und unnüßer und thörichter Rathschluß. Aimoin sagt: Die Franken, uneingedenk der Unbillen, welche sie den Römern angethan hatten, sehen den Patricier Egidius, der von den Römern die Besorgung der Beschüßung Galliens erhalten hatte, sich zum Könige. Der blinde Geist der Menschen vermeint, daß der gut mit ihnen verfahren werde, dem sie selbst nicht aufhören, Böses zuzufügen; denn wie konnte, daß es ihnen gut ergehe, derjenige wol

len, dessen Ücker sie durch das Feuer, dessen Volk fie durch das Schwert, deffen Städte fie durch Verwüstung mishandelt haben! Aimoin kannte also bereits sehr gut die Schwierigkeit, welche die Annahme darbietet, daß die Franken, die so viele Fehden mit den Römern hatten, den Feldherrn derselben zum Könige gewählt haben; doch verwirft er die Erzählung nicht, sondern trágt sie als ge= schichtliche Thatsache vor. Von den neueren Geschichtschreibern hat ein Theil die Wahl des Egidius zum Frankenkönige als geschichtlich gewiß angenommen, der gróBere Theil jedoch bezweifelt. Unter denen, welche das Erstere gethan haben, ist vor allen Muratori zu nennen. Nach ihm weiß sich der zum Feldherrn des römischen Heeres in Gallien ernannte Egidius bei den Franken, welche den König Childerich vertrieben haben, so beliebt zu machen und in ein solches Ansehen zu sehen, daß fie ihn zu ihrem Könige erwählen). Ähnlich sagt Menzel, daß die Franken, nachdem sie Childerichen vertrieben, sich haben von Egidius, der ihr Vertrauen gewonnen, richten lassen '). Nach v. Gagern lautet freilich die Sage, die der Bischof von Tours aufbewahrt hat, fabelhaft. Übertragen wir die dichterische Wendung in die wahrscheinlichgeschichtliche Prosa und Hergang, fo gelang es Egidius, wie seinen Vorgängern, Childerich's Unternehmungen am linken Rheinufer zu hemmen. Jenem gehorchten also die bereits dort angesiedelten Teutschen, nicht als ihrem Kónige, sondern nach hergebrachter Weise dem Comes oder Praefectus Praetorio. Als solcher erscheint er in der echten Geschichte bald im Gefolge Majorian's, bald in Armoricum gegen die Gothen thätig. Es ist Ühnlichkeit zwischen seiner Lage und der des Ambrosius auf der bris tischen Insel. Von den Angaben Gregor's, welcher anderthalb Jahrhunderte nach dem Verlaufe dieser Bege= benheiten schrieb, passen die acht Jahre des Egidius, als des Königs der Franken, zu den bestimmten Ereignissen und Ergebnissen der Geschichte am wenigsten. So nachy v. Gagern "'). v. Gagern "). Am ausführlichsten mit Widerlegung der Angaben des Gregorius von Tours hat sich Daniel 12) beschäftigt, und mit solchem Einflusse, daß z. B. Mascov sagt, Daniel habe den Ungrund derselben zur Genüge erwiesen 3). Doch bemerkt Daniel selbst, daß er nur Muthmaßungen und negative Beweise gegen dieselben aufstelle, hofft jedoch, daß sie für den Leser ebenso überzeugend sein werden, als für ihn selbst. Man kann, wie Daniel sagt, nichts Außerordentlicheres sehen, als diese Wahl eines Feldherrn des römischen Heeres durch die Franken, durch solche Heiden, eifersüchtig auf ihre Freiheit und den Ruhm ihrer Nation, von den Römern

9) Muratori, Geschichte von Italien. 3. Th. (Leipzig 1746.) G. 200. 217. 10) C. A. Menzel, Geschichte der Teutschen. 2. Bd. (Breslau 1817.) S. 333. 11) H. C. Freih. v. Ga= gern, Die Nationalgesch. der Teutschen. 2. Th. S. 445. 446. 826. 12) p. 6. Daniel in seiner Préface Historique Article sécond. De la déposition du Roi Childéric, père de Clovis, et de l'élection du Comte Gilles Général de l'Armée Romaine, pour être mis en sa place sur le Trône des François im 1. ble. feiner Histoire de France. (Amsterdam 1742.) S. C-CVI. 13) Mascov, Geschichte der Teutschen. 1. Th. 10. Buch. 39. 2. Ausg. S. 505.

durch ihre Sitten, ihre Polizei, ihre Gewohnheiten eben so sich unterscheidend, als durch ihre Religion, ihre ers klärten Feinde, und die seit langer Zeit nichts mehr such ten, als ihnen einen Theil Galliens zu entreißen. Eine solche Wahl an sich betrachtet, erscheint beinahe so bizarr, als das Verfahren der Türken erschienen sein würde, wenn sie, nachdem sie Muhammed IV. abgefeßt, auf den Thron des Orients den Prinzen Karl von Lothringen, welcher damals die Truppen des Kaisers in Ungarn befehligte, würden erhoben haben. So nach Daniel. Als lerdings muß eine solche Wahl eines römischen Feldherrn zu einem Könige der Franken als unmöglich erscheinen, wenn wir ihn als König der ganzen fränkischen Nation denken. Aber Chlodewig erst, Childerich's Sohn, vernich tete die übrigen Gauenkönige und schwang sich von einem Gaukönige zum Könige aller Franken empor. Childerich darf daher nicht als König aller Franken, sondern nur als ein Zweig derselben gedacht werden. Die Macht der Franken war überdies damals in Gallien noch schwach, denn sie eroberten Gallien nur nach und nach. Weit gefährlicher für die Franken in Gallien waren die Gothen, als die Römer. Ein Bündniß der Franken mit den Rd mern hatte daher für diese gar nichts Unpolitisches. über dies waren die Fürsten oder Gaufónige nicht immer einig unter sich; es kann daher recht wohl ein Zweig der Fran fen sich enger an die Römer angeschlossen haben, als die übrigen, und als er seinen Gaukónig vertrieben hatte, den römischen Fürsten einstweilen zu seinem Fürsten gewählt haben, da fie, in 3wist mit ihren Brüdern lebend, sich keinen König aus einem andern Gaue holen wollten, und doch die Wahl nur aus gewissen edlen Geschlechtern, wie aus Tacitus hervorgeht, statthaben konnte. Unter den Befehlen eines römischen Feldherrn zu stehen, war für die Teutschen auch so etwas Unerhörtes und Fremdartiges nicht; waren doch viele Teutsche seit Cásar in romische Kriegsdienste getreten, und hatten doch auch vers schiedene Zweige der Franken, nämlich die vorzugsweise genannten Franken und die Ripuarier "), dem Aetius als Hilfsvölker gegen Attila in der Schlacht bei Chalons gedient. In der Schlachtreihe der Römer zu kämpfen, war also für die Franken so etwas Unerhörtes nicht. Denken wir uns noch hinzu, daß der Zweig der Franken, der den Egidius sich zum Könige wählte, in Gallien unter römischem Schuhe stand, und sich erst nach des Egidius Tode als von den Römern unabhängig erklärte, so hat die Wahl eines römischen Feldherrn zum Könige eis nes Zweiges der Franken, nicht zum Könige der Franken

14) Jornandes (richtiger Jordanes [De rebus Geticis. Cap. 36 ap. Muratori]) sagt: His (nach anderer Lesart hi) enim adfuere auxiliares (nach anderer Lesart auxiliatores) Franci, Sarmatae, Armoritiani, Litiani, Burgundiones, Saxones, Riparioli, Ibriones, quondam milites Romani, tunc vero jam in numero auxiliariorum exquisiti, aliaeque Celticae vel Germanicae nationes. Die Stelle ist auch für unsern Gegenstand sehr wichtig, denn sie zeigt, daß da die Franci und Riparioli besonders aufge= führt werden, man unter Franci nicht alle Zweige der Franken verstehen darf, und daß, wenn die Rede davon ist, wie Egidius von den Franken zum Könige gewählt, nicht alle Franken darunter zu verstehen, sondern nur ein Zweig derfelben.

1. Encykl. d. W. u. K. Erste Section. XL.

überhaupt, so etwas ganz unmöglich Scheinendes nicht, da ja die Franken überhaupt, und besonders nicht alle Zweige derselben, sich nicht im immerwährenden Kriege mit den Römern befanden. Doch Daniel bemerkt weiter: Je sonderbarer dieser Vorfall war, je mehr hätte er in der Geschichte des Kaiserreichs angemerkt werden müssen. Man fagt jedoch daselbst kein Wort davon. Es war in einer Zeit, wo man zu Rom beständig Mistrauen gegen die Feldherren, besonders der Heere Galliens, hegte. Alle ihre Schritte waren verdächtig. Aetius, der Vorgänger des Comes ") Egidius, war auf den Verdacht eines Einverständnisses mit den Wandalen erdolcht worden. Andere vor ihm hatten ein gleiches Schicksal aus ähn lichen Gründen gehabt. Der Comes Egidius war ein Gallier von Nation, geliebt von den Völkern und erfah rener Heerführer 16). Welchen um so größern Gegenstand des Mistrauens hätte dieser General geben können, als er in seiner Person mit dem Commando der Urmeen Galliens die Autorität über ein kriegerisches, dem Kaiserreiche feit langer Zeit furchtbares, Volk, das, angeführt und disciplinirt von einem Heerführer von dieser Wichtigkeit, unbesiegbar geworden sein würde, vereinigt hätte. Der Tyrann Magnentius, welcher mit Hilfe der Sachsen und Franken das Kaiserreich zur Zeit des Kaisers Constantius hatte an sich reißen wollen, war ein Beispiel, was man noch nicht vergessen haben konnte. Jener Schritt war für den Comes Egidius äußerst delicat, vorausgesezt, daß er in seiner Pflicht bleiben wollte. Es war unter der Tyrannei der Patricier Ricimer, welcher die Kaiser einen nach dem andern einschte und umbringen ließ, je nachdem er an ihm Wohlgefallen hatte, oder seiner überdrüssig war; und gewiß, im Falle, daß der Comes Egidius versucht hätte, den Kaiserthron zu besteigen, so würde er dadurch, daß er König der Franken gewesen wäre, die schönste Gelegenheit von der Welt gehabt haben. Ist es also möglich, daß ein so seltsames und zugleich so öffentliches Ereigniß, welches natürlich soviel Unruhe verurs sachen, soviel Verdacht erwecken, Gelegenheit zu soviel Intriguen geben, den ganzen Hof in Spannung erhalten mußte, allen denen, welche die Geschichte des Kaiserreiches dieser Zeit geschrieben haben, entgegen sein sollte. So sagt Daniel. Uber er nimmt dabei immer an, unter den Franken, welche Childerichen vertrieben und hierauf Egidius zu ihrem Könige wählten, sei die ganze fränkische Nation zu verstehen. Da aber dies damals nicht der Fall war, so konnte es in Rom gar kein so großes Aufsehen und kein so großes Mistrauen erregen, wenn ein Zweig der Franken, der sich in Gallien niedergelassen und bereits unter dem Schuße der Römer stand und mit ihnen befreundet war, den römischen Heerführer Egidius zu seinem Fürsten wählte. Die römischen Feldherren jener Zeit wurden nicht darum verdächtigt, weil fie sich überhaupt mit teutschen Völkern in Verbindung festen, sondern wenn sie es, wie man vermuthete, in

15) Námlich comes utrius militiae, wie Idacius ihn zum I. 463 nennt. 16) Daniel S. CI, mit Beziehung auf Priscus Rhetor und Idacius in Chronico. 3

feindlicher Absicht, gegen die Regierung des römischen Reichs thaten. Ohne teutsche Hilfsvölker waren ja die Rómer damals gar nicht mehr im Stande, ein bedeuten des Heer ins Feld zu stellen. Was hätte man unter die sen Umständen dagegen haben können, wenn Egidius mit tels des Beistandes fränkischer Hilfsvölker die Gothen im Zaume hielt? Daß diese Hilfsvölker den Egidius als ihren König betrachteten, hiervon kam vielleicht nicht ein mal die Kunde nach Rom, da man in der fernen Hauptstadt in dem Egidius nicht einen König der Franken, sondern einen römischen Feldherrn, der zugleich fränkische Hilfsvölker befehligte, fah. Ebenso wenig beweisende Kraft, als das Obige, hat das Folgende, was Daniel weiter geltend zu machen sucht: Die Regierung dieses römischen Generals als Königs der Franken war eine Re: gierung von acht Jahren, ein anderer merkwürdiger Um: stand. Während dieser Zeit befehligte er immer die Ar meen des Kaisers. Endlich nach Berlauf dieser acht Jahre empórten sich die Franken gegen ihn und vertrieben ihn, und er ward zu der alleinigen Eigenschaft eines Generals der römischen Armee in Gallien zurückgebracht. Hier find wieder zu große Revolutionen und außerordentliche Abenteuer, als daß fie in allen gleichzeitigen und dieser Zeit nahe stehenden Geschichten hätten vergessen werden können." Über Gregor von Tours sagt gar nicht, daß fich die Franken gegen den Egidius empórt hatten, sons dern erzállt nur, wie Childerich, nachdem die Franken mit ihm verföhnt sind, zurückkehrt und wieder in sein Reich eingesetzt wird. Erst der Verfasser der Hist. Francor. Epit. und noch mehr der noch spätere Aimoin reden von der gewaltsamen Vertreibung des Egidius durch die Franken; aber Egidius kann ja in der Wirklichkeit (— denn was jene Geschichtschreiber darbieten, ist größtentheils reine Sage) ein Freund Childerich's gewesen sein; nahm die Wahl zum Könige des Zweiges der Franken, über den Childerich geherrscht hatte, nicht als Gegner Childerich's an, sondern in der Absicht, daß während der Zeit des Vertriebenseins seines Freundes von den Franken, welche diesen verjagt hatten, kein Anderer zum Könige erwählt würde, und trat dann freiwillig wieder ab, als die Gez müther der Franken sich wieder mit Childerich versöhnt hatten; denn wenn Childerich sein Freund war, verlor er nichts dadurch, da es ihm als römischem Feldherrn nur darum zu thun sein mußte, die Franken als Hilfsvölker zu haben, und dieses ebenso gut auch statthaben konnte, wenn Childerich wieder König derselben war. Daniel's zweite Betrachtung über diese Sache ist, „daß der Comes Egidius kein obscurer und den Geschichtschreibern unbekannter Mensch war; Mehre haben von ihm ge: sprochen, aber sie haben ihn nur als Comes, oder als General der römischen Armee in Gallien behandelt, und keiner hat die mindeste Anspielung auf seine Eigenschaft als König. In dem von Paulinus in Versen geschriebe nen Leben des heiligen Martin (Lib. VI.) sieht man den Comes Egidius mit Tapferkeit die Belagerung von Ar: les gegen Theoderich, den König der Westgothen, aus halten, und gegen ihn einen kraftigen Ausfall thun und eine große Niederlage beibringen. Über weder die Fran

ken, noch der König der Franken werden dabei erwähnt. Vielleicht, wird man sagen, war er es noch nicht; diese Handlung war nicht eher geschehen, als Childerich auf den Thron gestiegen war. Doch ist es unmöglich, mit diesem und selbst ohne dieses die acht Jahre der Regie: rung, welche Gregor ihm zutheilt, zu finden, denn Childerich fing im I. 458 an zu regieren und der Comes Egidius starb im I. 463." Aber es ist höchst ungewiß, wann eigentlich Merowig, Childerich's Vater, gestorben und dieser ihm in der Regierung gefolgt ist. Egidius, bemerkt Daniel weiter, mußte König sein zur Zeit we nigstens, als er den Kaiser Majorian nach Spanien zum Behufe der Expedition nach Afrika, welche durch den Brand der Schiffe vereitelt ward, begleitete. Indessen Sidonius Apollinaris, welcher eine lange Aufzählung der verschiedenen Nationen, die der Kaiser damals in seinem Heere hatte, macht, nennt weder die Franken, noch den König der Franken. Man sieht daselbst weder den Namen Franci, noch die Namen Bructeri, Chatti, Sicambri, noch einen Namen der andern, welchen dieser Schriftsteller und andere Geschichtschreiber dieser Zeit den Franken zu geben pflegen. Sidonius Apollinaris sagt blos: Bastarna, Svevus,

Pannonius, Neurus, Chunus, Geta, Dacus, Alanus
Bellonothus, Rugus, Burgundio, Vesus, Alites
Bisalta, Ostrogothus, Procrustes, Sarmata, Moschus
Post aquilas venere tuas.

Wenn der Comes Egidius damals König war, würde er nicht ein ganzes Heer Franken unter seinem Befehle gehabt haben? und würde er sein Königreich verlassen haben, ohne die vorzüglichsten Hauptleute und die besten Truppen mit sich in einer Zeit zu führen, wo er die Unbeständigkeit der Nation ganz fürchten mußte? So denkt sich Daniel immer Egidius als König der ganzen fränkischen Nation. Nehmen wir aber, wie wir müssen, ihn nur als König eines Zweiges derselben, so konnte die Sache lange nicht das Aufsehen erregen. Doch Daniel bemerkt weiter: Priscus der Rhetor, welcher uns so wichtige besondere Umstände, die kein Anderer berichtet hat, von den Kindern Clodio's lehrt, meldet uns auch noch eine sehr wichtige Sache von dem Comes Egidius, den er im Griechischen Neyidios statt Ayidios nennt. Er sagt, daß der Comes erbittert gegen die Römer Italiens, das heißt gegen Ricimer, der den Kaiser Majorian hatte umbringen lassen, ihm große Unruhen machte, weil er an der Spize eines großen Heeres, welches Majorian nach Spanien gefolgt war, stand, und dessen Tod er gerächt haz ben würde, wenn die Gothen keine Diversion in Gallien gemacht, und ihn nicht genöthigt hätten, die Grenze des Kaiserreichs gegen sie zu vertheidigen, wobei dieser Feldherr (Egidius) Wunderwerke that. Man sieht in diesem Ganzen nur den römischen Heerführer, und nicht den mindesten Anschein eines Königs der Franken; an dieser Stelle wenigstens wäre es ganz geeignet gewesen, diesen Umstand zu bemerken. Aber der Comes Egidius war König der Franken, wenn er es je gewesen ist, zur Zeit, als er nach Idacius in seiner Chronik im I. 462 über die Gothen einen großen Sieg in der Provinz Armorica,

wo Friedrich, der Bruder Theoderich's, des Königs der Westgothen, erschlagen ward, davon trug. Idacius, wel cher ihm bei dieser Gelegenheit die Eigenschaft eines Comes utriusque militiae beilegt, und uns zugleich lehrt, daß es ein durch gute Werke gottgefälliger Mann war 7), übergeht mit Stillschweigen seine Eigenschaft als König. Er thut noch an zwei andern Stellen dieses Heerführers Erwähnung; und endlich, als er seinen Tod berichtet, spricht er von ihm als einem Manne, dessen Verfahren und Tapferkeit allein als Schranken gegen die Gothen dienten, um sie zu verhindern, in die Länder des Kaiser: reichs einzudringen, und nach dessen Tode die Gothen bald die Gegenden einnahmen, welche er für das römische Volk bewahrte "). Aber was merkwürdig ist und was einen negativen Beweis überschreitet, ist dieses, daß dem Bischofe Idacius, welcher das schrieb, was sich zu seiner Zeit zutrug, der Comes Egidius im dritten Jahre der Regierung des Kaisers Severus (nach Daniel im 463. Jahre Christi, nach Andern besser im I. 464), das heißt fünf Jahre nachher, als Childerich im Königreiche der Franken durch den Tod seines Vaters Merowig nach folgte, starb. Wo findet man denn diese acht Jahre, welche Gregor von Tours der Regierung des Comes Egidius ertheilt? Diese Häufung der Beweise, welche Daniel vereinigt hat, scheinen ihm einen moralischen Be weis 1) gegen das geschichtliche Paradoron eines durch die Franken dieser Zeit zum Könige erwählten römischen Feldherrn zu bilden. War nun aber Egidius nur von einem Zweige der Franken in Gallien, der unter römischem Schuhe stand, zum Könige gewählt, so hat die Sache gar nicht das Auffällige, und konnte von den Geschicht schreibern leicht mit Stillschweigen übergangen werden. Die Erzählung von Childerich bei Gregor von Tours hat viel Sagenhaftes; aber die Sage pflegt nicht erfunden zu werden, ohne daß man damit irgend einen Sinn durch dieselbe ausdrücken will. Sonderbar erscheint allerdings darin auch die Wahl des Egidius, eines römischen Feld: herrn, zu einem Frankenkönige; aber was uns sonderbar erscheint, weil wir die Verhältnisse, unter welchen es geschah, nicht kennen, ist darum noch nicht fabelhaft. Uns scheint Gregor von Tours das, was er von Egidius er: zählt, nicht sowol aus einem Liede oder einer Sage, son dern vielmehr aus einem römischen Schriftsteller geschöpft und mit der Sage von Childerich verbunden zu haben. Daß die Franken, oder richtiger ein Theil derselben, ein mal eine Zeit lang unter einem römischen Feldherrn, den fie als ihren König anerkannt, gestanden, läuft dem från: kischen Ehrgeize so zuwider, daß es gar nicht in ihrem Geiste gelegen haben kann, eine solche Sage zu ersinnen. Uns scheint daher der innigen Verbindung des Egidius mit den Franken etwas Geschichtliches zum Grunde zu liegen, das aber wie ein kleines Eiland von dem Meere der Sage von Childerich eingeschlossen wird. Die acht

Jahre, während welcher Egidius über die Franken foll regiert haben, können, weil sie zugleich die Dauer des Vertriebenseins des Königs Childerich angeben, eine Voraussetzung sein, die aus sagenhafter Umständlichkeit geflossen ist, können aber auch etwas Geschichtliches enthal ten, welches nicht durch die Angabe von Merowig's Todesjahr und der Zeit der Nachfolge feines Sohnes Childerich widerlegt werden kann, weil diese selbst höchst ungewiß ist. Sollte Egidius auch nicht König eines Zweiges der Franken gewesen sein, so spielt er doch auch so als bloßer römischer Feldherr eine wichtige Rolle, wie wir bereits beiläufig gesehen und sogleich noch mehr entwickeln müssen. Aber die Frage, ob Egidius zugleich ein frånkischer König gewesen, ist gar nicht so unwichtig, weil dieser Umstand vielleicht am besten erklärt, warum es ihm gelang, die Gothen im Zaume zu halten, und warum sie nach seinem Tode die von ihm beschüßten Länder so leicht an sich reißen konnten. Nehmen wir an, daß der Angabe des Gregorius von Egidius, als König der Franken, etwas Geschichtliches zu Grunde liege, so hatte er es, daß er die Länder des Kaiserreichs gegen die Gothen beschir men konnte, nicht blos feiner Tapferkeit und festen Haltung, sondern auch zugleich seiner innigen Verbindung mit den Franken oder einem Theile derselben zu verdanken. ken. Egidius, der vom Kaiser Majorian zum Magister militum ernannt worden war, würde noch kräftiger ges gen die Gothen haben wirken können, wenn nicht durch Majorian's Tod die Angelegenheiten des römischen Reiches sich sehr verschlimmert hätten, indem Genserich, der Kónig der Wandalen, bald hier, bald dort Italien mit seiner Flotte verwüstete, und von der andern Seite Egidius sich für verbunden hielt, die Ermordung Majorian's an Ricimer und Severus zu ráchen. Er brachte, wie Priscus erzählt, in Italien ein großes Heer aus diesem Lande zusammen, Leute, die unter Majorian gedient_hatten, als dieser nach Spanien zog, und wollte mit ihnen nach Italien heerfahrten, um die von ihm dem Severus und Ricimer wegen der grausamen Ermordung Majorian's angedrohte Strafe in Vollzug zu sehen. Über die Westgothen in Aquitanien begannen, als er sich zum Aufbruche nach Italien rüstete, an den Grenzen der rômischen Provinzen, über welche er Statthalter war, Unruhen zu erheben, und er ward hierdurch genöthigt, den Zug nach Italien aufzugeben und den Gothen den Krieg anzukündigen, und erhielt durch ihn Gelegenheit, in verschiedenen Schlachten Beweise seiner Tapferkeit abzulegen. Dieser Kampf würde den Gothen mehr zur Schwächung, als zur Kräftigung ihrer Macht gedient haben, wenn nicht die Zerrüttung des römischen Reiches durch Majorian's Ermordung den Gothen günstig gewesen wäre. Man wollte nämlich nicht überall in Gallien, und zwar besonders Egidius, nicht den Severus, den Ricimer zum Kaiser erhoben hatte, anerkennen. Der Westgothen König Theoderich erklärte sich für Severus, und belagerte bei dieser Gelegenheit Arles, das zwar Egidius auf das Ta17) vir, ut fama commendat, Deo bonis operibus compla pferste vertheidigte, und aus dem er einen fiegreichen Auscens, sagt Idacius. 18) Quo desistente mox Gothi regiones invadunt, quas Romano nomini tuebatur. 19) une démon

stration morale.

fall gegen die Westgothen that, ihnen eine Niederlage beibrachte und sie die Belagerung aufzuheben und sich zu

rückzuziehen nöthigte, obgleich ihnen die Burgunden unter Anführung ihres Königs Gondiach, welchen Severus zur Anführung der römischen Kriegsvölker mit dem Namen eines Feldherrn erhoben hatte, nachdrücklich Beistand leis ftete. Aber Agrippinus, ein Gallier, Comes und rómi scher Bürger (wie Idacius zum zweiten Regierungsjahre des Kaisers Severus bemerkt), dem Egidius, als einem ausgezeichneten Mann, Feind, übergab, um den Beistand der Gothen zu gewinnen, Theoderichen Narbonne. Die ses war bis dahin die stärkste Grenzfestung der Römer von dieser Seite gewesen, und hatte seit Jahrhunderten gleichsam die Vormauer der Römer in Gallien gebildet, und diente nun dazu, den Gothen ihre Macht, sowol nach der Rhone zu, als in Spanien selbst, zu erweitern. Des Idacius Bericht über die Übergabe Narbonne's an die Gothen wird durch Sidonius Apollinaris bestätigt und ergänzt, denn dieser hat kurz darauf eine Reise nach Narbonne gethan, und uns eine Beschreibung dieser Stadt (Carm. 23) hinterlassen, aus welcher man ersieht, daß die Stadt fich in gutem Zustande befunden und den Go then als Freunden und Bundesgenossen der Römer über lassen worden 20). Aber sie waren es nur in Beziehung auf die Partei derselben, mit welcher es der Comes Agrippinus hielt, nicht aber in Beziehung auf den Comes Ägidius. Ungewiß bleibt jedoch, ob, wie man 2) annimmt, Severus und Ricimer dem Comes Agrippinus befohlen, Narbonne dem Könige der Gothen einzuräumen, der sich dann aus Erkenntlichkeit erbot, ihnen zur Be zähmung des Comes Ägidius behilflich zu sein, und ob Ricimer, wie man 22) vermuthet, die Westgothen aufgewiegelt habe. Der Verfasser des Lebens des heiligen Lupicinus 23), des Abtes des Klosters Jura in Burgund, erzählt. Egidius, der römische Heerführer in Gallien, habe den Comes Agrippinus boshafter Weise für einen Ver: rather ausgeschrieen und nach Rom geschickt, wo man ihn zum Tode verdammt; allein er sei durch ein Wunder be: freit worden, und nachdem man ihn von aller Schuld losgezahlt, wieder nach Gallien zurückgekehrt. Wenn die ses, bemerkt Muratori, seine Richtigkeit haben sollte, so kann Egidius kein so rechtschaffener Mann gewesen sein, als ihn Idacius beschreibt. Über Agrippinus hatte ja aus Feindschaft gegen den ausgezeichneten Mann Egidius Narbonne an die Westgothen verrathen, und er konnte daher in des Egidius Augen nicht anders, als ein Ver: rather erscheinen. Wenn Egidius den Agrippinus nach Rom schickt, so muß Ersterer sich mit Ricimer versöhnt und den Severus als Kaiser anerkannt haben. Zwar er: zählt Ferreras ") zum I. 464: Der Comes Egidius, der sich auf allen Seiten um Hilfe bewarb, des Majo rian's Tod zu rächen, sandte auch Abgeordnete an den König der Wandalen, Genserich, damit er ihn bewegen

20) Vergl. Mascov, Geschichte der Teutschen. 1. Th. Zweite Aufl. S. 484. 2. Th. Anmerk. S. 66. 21) So. B. Fer reras, Algem. Historie von Spanien. 2. Bd. (alle 1754.). 165. 22) übers. der Allgem. Welthistorie. 14. Th. (Halle 1754.) G. 578. 23) Bei Bollandus, Act. Sanctorum ad diem 21. Martii. 24) 2. Bd. S. 167.

möchte, sich nach Italien zu begeben und den Kaiser zu bekriegen; und hegte die Hoffnung, daß er durch diese Diversion seine Partei wurde vergrößern und verstärken, sich auch in den Stand sehen können, seine eigenen Waf fen nach Italien zu tragen. Zu gleicher Zeit ließ er eine große Partie Alaner unter ihrem Könige Beorgor in dieses Land rücken; doch seine Kriegsvölker wurden nahe bei Bergamasco von dem Severus und Ricimer, die ihnen entgegen gezogen waren, geschlagen. So nach Ferreras. Aber des Egidius Vorhaben, nach Italien zu ziehen, muß vor den Ausbruch des Westgothenkrieges gesezt werden. Noch weniger darf als Thatsache aufgestellt werden, Egidius habe den Wandalenkönig und die Alanen zu Heerfahrten gegen Italien veranlaßt. Höchstens darf dieses nur vermuthungsweise ausgesprochen werden, und des Egidius Plan, die Ermordung des Kaisers Majorian zu ráchen, nicht ins I. 464 gesetzt werden. Wie daraus, daß er den Comes Agrippinus nach Rom zur Bestrafung fandte, hervorgeht, hatte Egidius, um nicht noch mehr Verwirrung in das römische Reich zu schleudern, und um den Westgothen desto besser gewachsen zu sein, sein Vorhaben, die Ermordung des Kaisers Majorian zu ráchen, aufgegeben, und um wieder Einheit in die rómische Macht zu bringen, sich mit Ricimer und Severus versöhnt. Das Wunder aber, welches sich mit dem von ihm nach Rom zur Bestrafung gesandten Comes Ugrip: pinus begab, dürfte am besten so zu erklären sein: Agrippinus ward als Verráther zum Tode verurtheilt, aber weil Ricimer ihn im Geheimen als Werkzeug gegen den Egidius gebraucht, und durch ihn namentlich Narbonne den Gothen übergeben lassen, begnadigt, ohne daß man den eigentlichen Grund der Begnadigung bekannt machte. Wunderbar erschien denen, welche in das Ge heimniß nicht eingeweiht waren, daß der zum Tode Vers dammte des Lebens nicht beraubt, sondern wieder in Freiheit gefeht ward, und man half sich durch Erfindung der Sage von dem Wunder seiner Rettung; aber zum Be hufe dieses Wunders mußte auch die Sage von des Agrippinus Unschuld und der Bosheit des Egidius er dichtet werden. Dieser hatte den Verräther Agrippinus wahrscheinlich nach seinem großen Siege über die Westgothen in seine Gewalt bekommen und nach Rom gesandt. Von jenem Siege berichtet Idacius zum zweiten Jahre des Severinus (563) dieses: Gegen Egidius, den Comes utriusque militiae, einen, wie der Ruf ihn empfiehlt, Gott durch seine guten Werke wohlgefälligen Mann, erhebt in der armoricanischen Provinz sich Friedrich, der Bruder des Königs Theoderich, wird mit denen, mit welchen er gewesen war, überwunden und erschlagen. Marius Aventinus sagt zum nämlichen Jahre (463): Unter dem Consulat des Basilius und Bibianus war zwis schen Egidius und den Gothen eine Schlacht zwischen dem Liger (der heutigen Loire) und dem Ligericinus (dem heutigen Loiret) bei Orléans, und daselbst ward Fried: rich, der König der Gothen (richtiger der Bruder des Königs derselben), erlegt. Daß aller Wahrscheinlichkeit nach Egidius von Childerich, dem wiederhergestellten Kónige der Franken, bei dieser Schlacht begleitet worden,

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